Fünfte Etappe: Afrika
Zehn Vorurteile, die Afrikas Wirtschaft heute noch hemmen in Allgemein, 30.06.2014
1. Afrika ist ein einziger, homogener Kontinent
Das Image Afrikas ist aus dem Blickwinkel Europas vor allem geprägt durch die drei großen Ks – Krieg, Krisen und Konflikte. Die Berichterstattung der Medien verstärkt täglich diesen Eindruck.
Diese Vorurteile sind jedoch oft veraltet und nicht pauschal auf einen gesamten Kontinent anzuwenden. 54 Staaten mit mehr als einer Milliarde Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und historischen Wurzeln, mehr als 2000 Sprachen und sechs Zeitzonen auf 30 Millionen Quadratkilometer sind nicht über einen Kamm zu scheren. Das gleiche gilt spiegelbildlich natürlich auch für das Image und Vorurteile gegenüber europäischen Besuchern und „den Deutschen“ in Afrika.
2. Afrika ist ein von Stammes- und Bürgerkriegen zerrütteter Kontinent
Die Medienberichte über Anschläge, Gewalt und Bürgerkrieg in Ländern wie Nigeria, Sudan, Mali, Kongo, Somalia oder Libyen sind bedrückend. Darüber hinaus ist die politische Lage auch in anderen Regionen instabil und durch Konflikte angespannt.
Doch es gibt auch positive Entwicklungen, die den täglichen Nachrichtenstrom kontrastieren. Ghana wurde dank seines Wirtschaftswachstums und seiner Sprungbrettfunktion in Westafrika von „Germany Trade & Invest“ (gtai) zu den Top10 Exportmärkten 2014 für deutsche Unternehmen gekürt.
Einige andere Länder haben sich aus teils langjähriger Gewaltspirale befreien können: In Senegal beispielsweise haben die Präsidenten- und Parlamentswahlen nach den politischen Spannungen 2011 zu einem friedlichen Regierungswechsel geführt. In Sierra Leone fanden – zehn Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges – freie und faire nationale Wahlen statt. Und auch die Elfenbeinküste zeigte eine substanzielle Verbesserung, ein Jahr nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Inneren. Seit Jahren politisch stabile Verhältnisse bieten etwa Gabun oder Ruanda.
3. Afrikas Arbeiter sind schlecht ausgebildet
Im Jahr 2015 wird Afrika laut des WEF der jüngste Kontinent auf der Erde sein. Afrika hat also Potenzial, es muss nur gefördert werden. Dank des guten Wirtschaftswachstums entstehen vielerorts bereits neue Arbeitsplätze. Allerdings ist die Mehrheit weiterhin noch in wenig produktiven und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen angesiedelt, vor allem in der Landwirtschaft.
Eine Reihe afrikanischer Staaten arbeiten mit speziellen Bildungsinitiativen an einer besseren Berufsbildung – zum Beispiel Ruanda: Das kleine ostafrikanische Land plant bis 2020 jährlich 200.000 neue Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft zu schaffen. Verbesserung der beruflichen Qualifizierung, Stärkung der Privatwirtschaft und Erhöhung der Beschäftigung stehen im Fokus der nationalen Entwicklungsstrategie.
Aber auch ausländische Unternehmen helfen mit Investments und zielgerichtet angesiedelten Kompetenz-Clustern. Globale IT-Konzerne wie Google oder Microsoft kooperieren mit Innovations-Netzwerken und lokalen Hochschulen in Afrika bei der Entwicklung von Innovation sowie Forschungsprojekten. Darüber hinaus entsteht auch ein Innovationsfluss durch junge im Ausland ausgebildete Studenten, die in ihre afrikanischen Heimatstaaten zurückkehren.
4. Afrika ist überall korrupt
Korruption, Bestechung und behördliche Willkür gehören zu den beharrlichsten Hemmnissen für Wirtschaft und Unternehmen in Afrika. Mit Ausnahmen von Botswana (Platz 30 des aktuellen Corruption Index von Transparency International 2013) und Ruanda (Platz 49) sowie einigen weitere Leuchtturm-Ländern, schneiden viele Staaten sowohl in Nord- als auch im Süden Afrikas in den weltweiten Untersuchungen schlecht ab. Mit internationaler Hilfe arbeitet aber eine Reihe von Ländern daran, für mehr Transparenz und Rechtstaatlichkeit in Wirtschaft und Gesellschaft zu sorgen.
Das Schwergewicht Nigeria ist ein Beispiel. Hier kämpft Staatspräsident Goodluck Jonathan seit mehreren Jahren hartnäckig an der Korruptionsbekämpfung im wichtigen Öl- und Gassektor. Die von ihm eingesetzte Petroleum Revenue Task Force unter Führung des populären und respektierten Mallam Nuhu Ribadu soll die immensen Geldströme der Industrie untersuchen und so einen Abfluss von Steuereinnahmen des Staates verhindern sowie die Glaubwürdigkeit der Branche im Land wiederherstellen. Diese Projekte sind Einzelbeispiele. Der Kampf in der wichtigsten Industriebranche in der größten Volkswirtschaft Afrikas ist dennoch wegweisend in ihrer Signalwirkung für andere Branchen und Länder des Kontinents.
5. Afrikas Bevölkerung kann sich westliche Produkte nicht leisten
Mehr als 120 Millionen Menschen werden in Afrika in diesem Jahrzehnt, also bis 2020, neu auf dem Arbeitsmarkt einen Job finden und über ein Einkommen verfügen. Der Anteil derer, die sich auf ein verlässliches Lohn und damit eine Basis für – wenn auch meist bescheidenen – Konsum stützen können, wird damit von 28 auf 32 Prozent der Bevölkerung steigen.
Die Konsumenten für neue Produkte sind also vorhanden. Und ein Teil von ihnen kann sich zunehmend etwas leisten: Nach Berechnungen internationaler Institutionen verfügen inzwischen fast 100 Millionen Menschen in Afrika über ein Jahreseinkommen von mehr als 7.500 US-Dollar. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnte auch diese Gruppe auf 128 Millionen anwachsen. Dieser Trend gilt insbesondere für die großen Ballungsräume des Landes im Westen und Süden des Kontinents. Millionenstädte wie etwa Lagos, Accra, Luanda, Nairobi oder Khartoum bilden dabei die Speerspitzen des Konsums. Dort findet man die Marken-Handys, oder Designer-Schuhe immer öfter nicht nur auf den großen Werbeplakatwänden sondern als Statussymbole im täglichen Straßenbild der Metropolen.
6. In Afrika gibt es nur veraltete Technologie
Afrika und Innovationen – das sind scheinbar zwei miteinander unvereinbare Begriffe. Dies hat sich jedoch in einigen Branchen in den vergangenen zehn Jahren teils deutlich geändert. Insbesondere die Telekommunikationsindustrie sticht – auch dank des rasanten Vormarschs von Handys und Smartphones – hervor.
Was in Europas noch Experimentierfeld ist, hat sich in Afrika schon zum Massenmarkt entwickelt: Das Handy dient hier Millionen von Nutzern als elektronische Geldbörse. Mangels Bankkonten oder Kreditkarten nutzen die Afrikaner es als einfaches Zahlungsmittel für Einkäufe des täglichen Bedarfs.
Von den weltweit 130 mobilen Zahlungssystemen sind 80 in Afrika im Einsatz. Zu den erfolgreichsten gehört das System „m-Pesa“ des afrikanischen Mobilfunkanbieters Safaricom. Insgesamt werden bereits 31 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Kenia über mobile Plattformen erwirtschaftet. Bis 2015 soll das Volumen rund 200 Milliarden US-Dollar afrikaweit überschreiten.
7. Afrika ist wie Asien
Afrika wird oft mit anderen Wachstumsmärkten wie China und Indien sowie Asiens Tigerstaaten verglichen – der wirtschaftlichen, politischen und vor allem kulturellen Unterschiede zum Trotz. Unternehmen, die in China oder Vietnam erfolgreiche Markteintritte absolviert haben, werden mit dem gleichen Business-Modell in Nigeria oder Angola nicht automatisch die gleichen positiven Erfahrungen machen.
Chinas Wirtschaftsmodell hat sich inzwischen weit von den Schlagworten Billigproduktion und Werkbank der Weltwirtschaft entfernt und ist in vielen Branchen wettbewerbsfähig. In Afrika steht eine breite Diversifizierung der Wirtschaft auf Dienstleistungs- und Produktionsbranchen noch aus. Deshalb müssen die afrikanischen Länder ihre eigenen, auf die Stärken der Länder angepassten Strategien entwickeln, um einen Platz in den weltweiten Wertschöpfungsketten zu finden.
8. Afrika ist abgekoppelt von der Weltwirtschaft
Ein dynamisches Wachstum von mehr als fünf Prozent – mit diesen Statistiken hat sich Afrika von den stagnierenden Staaten in Nordamerika und Europa tatsächlich abgekoppelt. Doch insbesondere dank seiner Rohstoffressourcen hat die Weltkonjunktur durchaus Auswirkungen auf die afrikanische Wirtschaft. Ihre Staatshaushalte sind noch immer insbesondere von den Einnahmen aus Erz, Öl- und Agrarprodukten abhängig.
Auch an anderer Stelle können die afrikanischen Staaten im Konzert der Weltwirtschaft mitmischen und sich weltweite Konkurrenz behaupten: Der „Doing Business Report 2014“ der Weltbank diagnostizierte zuletzt ein positives Geschäftsklima insbesondere für Länder südlich der Sahara. Demzufolge haben es die Länder in Sub-Sahara-Afrika in den vergangenen fünf Jahren geschafft, regulatorische Lücken und Hindernisse für kleine und mittelständische Unternehmen dreimal schneller zu schließen als viele OECD-Länder.
Unter den 20 Staaten, die weltweit den meisten Fortschritt bei der Reform unternehmerischer Regulierungen machten, liegen neun in Subsahara-Afrika. Unter den „Top10“-Reformern 2013 sind Ruanda, Djibouti, die Elfenbeinküste und Burundi.
9. Afrika ist nur für die Rohstoffbranche wirtschaftlich interessant
Afrikas Wirtschaft wird nicht mehr nur durch den Ölpreis geschmiert. Die Finanzbranche, IT- und Telekom sowie der Einzelhandel entwickeln sich zu weiteren Säulen der Konjunkturentwicklung – siehe oben die Punkte 5 und 6.
Insgesamt vereint Afrika einen Markt von mehr als einer Milliarde Konsumenten, der auf ein Gesamtvolumen von rund 600 Milliarden US-Dollar beziffert wird. Das sind schon jetzt acht Prozent der weltweiten Konsumausgaben in Emerging Markets.
10. Afrika ist zu groß und unüberschaubar für wirtschaftlichen Erfolg
Afrika als einen homogenen Kontinent zu begreifen, ist kurzsichtig – siehe Punkt 1. Wichtig für den Markteintritt ist eine sorgfältig vorbereitete Länderanalyse und eine Strategie, die Schritt für Schritt vorgeht, und es erlaubt, erst in einem Land Erfahrungen zu sammeln, bevor man gleich in einem Dutzend Staaten für die unternehmerischen Fehler bezahlen muss.
Ob konsumstark oder strategisch günstig gelegen, ob rohstoffreich oder innovationsfreudig. Unter den 54 Staaten des Kontinents finden sich jeweils passende Einstiegsregionen.
aus: http://news.kpmg.de/zehn-vorurteile-die-afrikas-wirtschaft-heute-noch-hemmen/